Die irdischen Abenteuer von Lumi: Eine Außerirdische ohne Emotionen lernt von Kindern Gefühle
Krystyna Obermaier [00:00:05]:
Herzlich willkommen zum Podcast Tanzen durch die Ohren. Mein Name ist Christina Obermeier und heute habe ich die Laura zu Besuch. Liebe Laura, stell dich doch mal kurz vor.
Laura [00:00:18]:
Hallo, ich bin Laura. Ich studiere gerade im achten Semester Kindheitspädagogik an der Katholischen Hochschule in Köln und arbeite auch schon in einer Kölner Kindertagesstätte. Ich möchte heute von dem Projekt erzählen, das ich im Vertiefungsbereich Tanz und Bewegungskultur durchführe: das Projekt Lumi.
Krystyna Obermaier [00:00:43]:
Liebe Laura, was ist das Thema dieses Projekts?
Laura [00:00:47]:
Thematisch wollten wir das große Thema Gefühle und Emotionen mit dem Tanz verbinden. In unserem Projekt haben wir eine Figur erfunden: Lumi vom Planeten T12, die regelmäßig Kontakt zu den Kindern meiner Kindergartengruppe hat. Lumi schreibt den Kindern Briefe, tritt mit ihnen in Kontakt und um diese Figur wurde die Geschichte erzählt: dass sie eben gerne tanzt, aber keine Gefühle kennt auf ihrem Planeten. Das heißt, dass die Kinder die Rolle von Experten einnehmen und dieser Figur erklären sollen, was Gefühle sind.
Krystyna Obermaier [00:01:32]:
Vielen Dank. Wie habt ihr die Kinder in das Projekt einbezogen?
Laura [00:01:40]:
Im Projekt gab es immer wieder unterschiedliche Möglichkeiten, ins Projekt einbezogen zu werden. Grundsätzlich arbeiten wir mit der Konzeption des Elementaren Tanzes, das viele Freiheiten schon konzeptionell verankert hat. Wir haben unterschiedliche Aktionen gehabt, die durch das Projekt leiten. In den Aktionen wurden dann immer Freiräume ermöglicht. Ganz konkret ist das jetzt beispielsweise, dass wir ganz am Anfang Gefühlsplaneten mit den Kindern gebastelt haben, um uns thematisch auf das Thema Gefühle einzulassen und mit den Kindern in den Austausch zu kommen. Da konnten die Kinder dann selbst entscheiden, welche Farben den einzelnen Gefühlen zugeordnet werden. Dieser Planet hat zum Beispiel zu Wut die Farbe Rot bekommen hat und dann die Kinder Bilder da drauf kleben konnten, Lumi zu erklären, was jetzt Wut ist. An anderer Stelle haben die Kinder jetzt zum Beispiel entschieden, was jetzt die nächsten Einheiten werden sollen.
Ich habe schon ein paar Einheiten vorgeführt beziehungsweise durchgeführt mit den Kindern und im letzten Projekt kam eben zur Sprache, so was wollte jetzt die nächsten zwei, drei Male machen. Wir haben Ideen gesammelt und uns jetzt darauf geeinigt. An anderer Stelle wurde im Tanzen Freiräume ermöglicht. Das bedeutet, wir sind zusammen in einen geeigneten Raum gegangen und dann durften die Kinder sich nach der Konzeption des elementaren Tanzes frei im Raum bewegen.
Krystyna Obermaier [00:03:16]:
Also die Konzeption des elementaren Tanzes basiert ja auf der Improvisation. Wie habt ihr oder wie hast du in deiner Gruppe die Kinder zur Improvisation angeleitet?
Laura [00:03:30]:
Das ist total spannend, weil die Kinder hatten einen total guten Zugang zur Improvisation. Uns als Erwachsenen fällt das ja schon mal ein bisschen schwer, sich da frei gehen zu lassen und einfach auf seinen Körper zu hören. Aber sobald die Musik lief, konnten die Kinder sich schon gar nicht mehr stillhalten. Ich habe Impulse reingegeben, sprachlich oder auch durch meine eigene Beteiligung. Das würde ich auf jeden Fall immer so wieder machen. Es ist unfassbar wichtig, dass die Projektleitung auch eigenen Spaß und eigene Bewegung hineinbringt. Es funktioniert nicht, wenn man daneben sitzt, sondern man muss aktiv mit den Kindern tanzen und dann begegnet man sich auch ganz natürlich auf Augenhöhe. Die Kinder haben sich teilweise das abgeschaut, was ich gemacht habe.
Wenn ich aber sprachliche Impulse reingebracht habe, ein Beispiel aus der letzten Einheit, wo wir getanzt haben, ist beispielsweise so, und jetzt stellt euch mal vor, ihr seid Künstlerinnen, die einen Pinsel in der Hand hielten. Wir haben so Tücher, bunte Tücher in der Hand gehabt. Und wir malen jetzt unseren ganzen Raum uns herum an. Und dann haben die Kinder angefangen, an die Wände zu gehen und gegen die Wände zu tanzen. Große, runde Bewegungen.
Krystyna Obermaier [00:04:43]:
Ja, sehr schön. Das kann ich mir richtig bildhaft vorstellen. Ich habe jetzt herausgehört, dass du dein Projekt also sowohl tänzerisch umgesetzt hast, aber auch, wie ich hörte, viel, ihr habt viel gebastelt, ihr habt viel gemalt. Was habt ihr noch außerdem gemacht oder was habt ihr konkret gemalt oder gebastelt?
Laura [00:05:08]:
Da möchte ich als Beispiel ein Geschenk mit reinbringen. Die Kinder haben einen unfassbaren Draht zu dieser Figur Lumi. Es ist wirklich, das zieht sich durch den Alltag durch, diese Figur und die Beziehung zu ihr. Und deswegen haben wir gedacht, wir machen jetzt ein Geschenk für Lumi. Dieses Geschenk sollte etwas sein, was Lumi bei ihrem Besuch in der Kita anziehen kann. Und deswegen haben wir einen weißen Kittel genommen, einen Haufen Stoffmalfarben und dann habe ich mit den Kindern diesen Mantel angemalt. Sie hatten unterschiedliche Werkzeuge, die den Kindern auch bekannt war Und dann durften sie für diese Person, wo sie so eine freundschaftliche Beziehung für hatten, ein Kleidungsstück gestalten, was wir später auch fast schon feierlich verpackt haben. Und das der Lumi zugeschickt.
Und das war ein total aufregender Teil, der auch sehr, was eine sehr sinnlich ästhetische Erfahrung war für die Kinder. Sie haben die Farbe gespürt, sie haben etwas gestaltet und waren dabei eben frei. Ich habe jetzt nicht vorgegeben, was sie wie anmalen sollen. Und dann hat sich ganz natürlich ergeben, dass sie in diesem Schaffungsprozess wieder darüber in Kontakt gekommen sind, beziehungsweise ins Gespräch, was sie vorher gemacht haben. Da waren auf einmal die Gefühlsplaneten wieder Thema oder wie sie sich bei welchem Gefühl gefühlt haben. So, ah, blau, das ist ja die Farbe von Trauer. Die Musik, die fand ich nicht so schön. Aber schaut mal hier, jetzt haben wir auch gelb und das ist die Farbe der Freude. Das ist mein Lieblingslied beispielsweise.
Krystyna Obermaier [00:06:44]:
Also euer Thema waren Emotionen. Das habt ihr, Warum habt ihr das Thema gewählt?
Laura [00:06:52]:
Ja, also das Thema sollte klar an die Lebenswelt der Kinder anknüpfen. In den Beobachtungen wurde deutlich, Also ich arbeite schon lange in der Kita und da wurde deutlich, dass das eben das zentrale Thema für die Kinder im Kindergarten ist, ihre Gefühle kennen zu lernen und auch damit umgehen zu lernen. Es sorgt immer wieder für Konflikte innerhalb der Gruppe, wenn Kinder Gefühle nicht adäquat ausdrücken oder nicht damit umgehen, aus Wut zum Beispiel schlagen. Das ist ganz alltäglich. Jeder, der in Kindertagesstätten ein- und ausgeht, weiß, dass Kinder auch teilweise überschwänglich mit Gefühlen umgehen. Und das wollte ich eben aufgreifen, und zwar nicht auf einer kognitiven Hinsicht mit ihnen im Kreis darüber zu sprechen, was jetzt irgendwie gerechtfertigt ist und was nicht, was blöde Gefühle sind, sondern auch mit ihnen in einen künstlerischen Austausch zu kommen, weil das eben ein Draht ist, der für Kinder einen guten Zugang bietet und auch überraschend für Erwachsene eine gute Oberfläche bietet, sich damit und mit sich selbst auseinanderzusetzen, ohne direkt Kritik zu üben.
Krystyna Obermaier [00:08:07]:
Welche andere Mittel oder Literatur oder Bilder habt ihr noch gefunden, die zum Beispiel Kindern Emotionen nahebringen können, die ihr auch verwendet habt oder oder verwenden könntet?
Laura [00:08:22]:
Also das Projekt hat sich irgendwann ein bisschen verselbstständigt, was sehr schön ist, was ja auch die Idee ist hinter einem Projekt, was man mit Kindern durchführt. Mich hat das total gefreut, weil die Kinder haben irgendwann angefangen von alleine heraus ihre Lieblingsbücher und Werke mitzubringen, die irgendwas mit Gefühlen und Emotionen zu tun haben. Ganz besonders möchte ich hier das Buch Heute bin ich von Mies van Hood erwähnt. Das hat ein Mädchen aus meiner Projektgruppe mitgebracht und es ist fester Bestandteil der Gruppe geworden. Da drin sind leuchtende Fische in Öl-Pastellkreiden gemalt worden. Das ist ein sehr künstlerischer Ansatz, sich mit Gefühlen auseinanderzusetzen. Und die Kinder, die kommen da auch regelmäßig in den Austausch über die unterschiedlichen Gefühle, die die Fische darstellen. Und dabei gibt es gar keinen belehrenden Aspekt, Also da gibt es keine Wertung der unterschiedlichen Gefühle oder ähnliches. Und es ist immer wieder ein schöner Gesprächsanreiz.
Krystyna Obermaier [00:09:26]:
Vielen Dank. Jetzt würde ich gerne mal zu der Wirkung kommen. Also welche Wirkung hast du in deine Gruppe, speziell in deine Gruppe festgestellt?
Laura [00:09:40]:
Die Wirkung ist ganz unterschiedlich auf die Kinder. Das finde ich total schön, dass es nicht nur in der Theorie bleibt, dass elementare Tanz etwas höchst individuelles ist, sondern dass dieses ganze Projekt total individuell war. Die Kinder gehen ganz unterschiedlich damit Das eine Mädchen, von dem ich gerade erzählt habe, das hat zum Beispiel ihr Lieblingsbuch mitgebracht und spricht darüber mit den anderen. Andere Kinder wiederum, die sprechen gar nicht so gerne über die Gefühle. Das sind aber die Kinder, die sich am meisten fallen lassen im Tanz. Die tanzen einfach nur des Tanzenwegens, lassen sich total darauf ein und es wirkt total kunstvoll. Man könnte fast sagen, sie haben ein angeborenes Talent dazu, sich zu bewegen, zu Musik. Wieder andere Kinder, die tanzen zum Beispiel gar nicht gerne alleine und kommen in den Austausch mit anderen, wo das irgendwie so scheint es mir der Schwerpunkt ist.
Die tanzen auch am liebsten mit ihren Freundinnen Hand in Hand und später wird sich viel darüber unterhalten. Gott sei Dank haben wir fast schon ganz natürlich einen Weg gefunden, dass alle Kinder irgendwie ihren Ansatz finden. Einige sprechen lieber, andere tanzen, wieder andere malen lieber. Wieder andere reagieren sehr stark auf die Musik. Ich hatte zum Beispiel einen Jungen, der so Angst hatte vor der Musik, vor der Angstmusik, dass wir die jetzt ausgetauscht haben und ich habe mit ihm abgesprochen, dass das Lied nicht mehr läuft, weil er so eine Angst davor bekommen hat. Aber auf der anderen Seite konnte er seine große Gefühlsbereitschaft an anderen Stellen des Projekts wieder unter Beweis stellen und das als klare Stärke sehen.
Krystyna Obermaier [00:11:14]:
Ja, Vielen Dank. Zum Ende möchte ich gerne deine Einschätzung wissen, wie so ein Projekt in der Kita durchführbar ist und jetzt im Nachhinein, ihr seid noch oder du bist auch noch nicht ganz fertig, Aber schon mal bis zu dem heutigen Zeitpunkt. Wie schätzt du das ein? Wie ist das durchführbar? Wie war das für euch und welche Tipps oder Anregungen oder was du für später, Falls du das noch mal in der Kita durchführen möchtest, was hast du dir da selber noch mal für Reflexionsgedanken gemacht?
Laura [00:11:54]:
Also erst mal ist mir während des Projekts die ganze Zeit aufgefallen, was eine Figur und eine Geschichte für eine Riesenmöglichkeit bietet. Die Kinder sind mit Lumi in Beziehung getreten und haben ganz unterschiedliche Herangehensweisen daran gefunden. Es ist total spannend, dass einige Kinder sich mit ihr identifizieren, andere sie eher als eine Art Freundin sehen oder Expertin oder Fabelwesen. Das würde ich auf jeden Fall weiterempfehlen. Das würde ich auch immer wieder so machen und auch in anderen Projekten irgendwie mit einfädeln, auch wenn es jetzt gar nicht Tanz geht. Es ist aber eine total schöne Art, denn die Kinder haben auch im Ausblick, dass sie mit Lumi irgendwann tanzen werden und das ist ein absolutes Highlight jetzt schon. Auf der anderen Seite ist mir nach den Einheiten immer wieder aufgefallen, dass ich zwar schon Freiräume gegeben habe, Möglichkeiten mitzubestimmen oder komplett selbst zu stimmen, zu bestimmen. Das würde ich aber in Zukunft auf jeden Fall ausbauen.
Mit der Erfahrung wird man auch immer sicherer und Mit mehr Sicherheit kann man mehr Freiräume öffnen. Es ist ganz wichtig, dass man die Kinder Stück für Stück an die Freiheit heranführt und nicht mit irgendetwas überfordert, sondern sie dazu befähigt. Ich glaube, umso öfter man solche Projekte durchführt, desto sicherer wird man auch. Und man muss sich auch selbst Fehler eingestehen. Beispielsweise habe ich einige Sachen, wo ich im Nachhinein denken würde, dass man da durchaus hätte mehr Freiheiten bieten können. Oder die Kinder einfach direkt fragen, anstatt mir den Kopf zu zerbrechen, was die Kinder wohl denken. Und Das werde ich beim nächsten Mal auf jeden Fall noch mehr einbinden.
Krystyna Obermaier [00:13:35]:
Vielen Dank, Laura. Ich wünsche euch noch alles Gute, dir und deinen Kommilitonen, zum Abschluss eures Projekts.
Ich freue mich schon auf das Ergebnis am Ende und sage Tschüss.
Das war Tanzen mit den Ohren.